Feierstunde zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2017

Wortlaut meiner Festrede:

Nach vierzig Jahren Teilung, 28 Jahre Trennung durch eine menschenverachtende Mauer, heißt es seit dem 3. Oktober 1990 wieder: Wir sind ein Volk!
Heute feiern wir den 27. Jahrestag der Deutschen Einheit und ich freue mich, dass ich heute die Festrede auf dieser traditionellen und besonderen Feierstunde halten darf.
Die Deutsche Einheit verdanken wir vielen Menschen. Wir verdanken ihn vor allem den mutigen Menschen in der ehemaligen DDR. Mit ihrem friedlichen Protest gegen Unterdrückung und Willkür boten sie den Mächtigen die Stirn.
Ihr Streben nach Freiheit war größer als die erdrückende Macht der SED. Hunderttausende gingen auf die Straßen: Die Bilder der Demonstrationen, von den vielen Kerzen bei den Friedensgebeten in den Kirchen, sind unvergesslich.

Auf alles war die SED vorbereitet, nur nicht auf Kerzen und Gebete. Der Ruf „Wir sind das Volk!“ wurde zum Ruf „Wir sind EIN Volk!“. Es ist diese Botschaft, die letztlich Freiheit und Einheit für alle Deutschen brachte. Wir verdanken diesen Glücksfall auch der CDU und vor allem Helmut Kohl. Er erkannte die historische Chance und stellte die Weichen für eine rasche Wiedervereinigung, als andere noch zögerten. Helmut Kohl hat Geschichte geschrieben – als Kanzler der Einheit und Ehrenbürger Europas.
Am 16. Juni diesen Jahres ist unser langjähriger Vorsitzender verstorben. Seinen Platz in den deutschen Geschichtsbüchern – ein Thema, das ihm stets wichtig war – werden auch kritische Erinnerungen nicht schmälern.
Unter den europäischen Staatenlenkern war Kohl der Regierungschef, der das politische und ökonomische Friedens- und Kooperationsprojekts Europa mit leidenschaftlichem Einsatz mehrmals in Bewegung hielt, als es zu stocken drohte. Und als dienstältester Bundeskanzler der Republik, der das Land 16 Jahre lang als Regierungschef geprägt hat, sorgte er in der nervösen Umbruchphase 1989/90 dafür, dass Deutschland in dieser Zeit des Wiederaufstiegs zur kontinentalen Führungsmacht weder Misstrauen noch Angst auslöste.
Sein Ziel, das Ziel der Wiedervereinigung Deutschlands wurde erreicht. Dafür gab es eine entscheidende Voraussetzung:
Das enorme Vertrauen, das Helmut Kohl im Ausland genoss. Er hatte über Jahre enge Kontakte zu den westlichen Partnern und in die damalige Sowjetunion aufgebaut.
So konnte er gemeinsam mit George Bush und Michail Gorbatschow Skepsis überwinden und Vertrauen gewinnen. Sie haben uns auf dem Weg zur Deutschen Einheit und zur Einheit Europas unterstützt. Auch ihnen verdanken wir die Deutsche Einheit.

Meine Damen und Herren,
der Begriff vom ’eisernen Vorhang‘ stammt bekanntlich aus dem Theaterwesen: Ein eiserner Vorhang, im Fall eines Feuers auf der Bühne heruntergelassen, soll verhindern, dass die Flammen auf den Zuschauerraum übergreifen.
Dann, Mitte des vorigen Jahrhunderts, wurde der „Eiserne Vorhang“ von Churchill erstmals als Metapher für das gespaltene Europa verwandt.
Der 3. Oktober erinnert daran. Er ist ein Tag der Freude darüber, dass der trennende Vorhang eines Tages hochgezogen wurde. Dass unser Volk wieder vereint ist. Oder sollten wir richtiger sagen:
am 3. Oktober 1990 die Chance bekommen hat, seine Einheit wiederzugewinnen?
Denn am 3.Oktober 1990 endete die Arbeit für die Deutsche Einheit nicht, sie begann erst richtig:
Im Herbst 1990 standen wir alle vor riesigen Herausforderungen.
Die Mütter und Väter des Grundgesetzes hatten uns einen klaren Auftrag gegeben. Im Grundgesetz hieß es: „Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.“

Gemeinsam sind wir einen ganz beachtlichen Weg gegangen.

Eine ganz große Aufgabe war die Umwandlung der zentralistischen Planwirtschaft in die Soziale Marktwirtschaft. 40 Jahre Planwirtschaft hatten ihre Spuren hinterlassen und es gibt noch immer einiges zu tun:
Ich denke daran, dass der demografische Wandel in Ostdeutschland eine noch akutere Herausforderung darstellt, weil viele junge Menschen von Ost nach West gezogen sind.
Ich denke aber auch an die dort noch immer höhere Arbeitslosenzahl. Es wurde viel erreicht, aber es gibt noch immer einiges zu tun: Wir arbeiten weiter daran!
Auch in der persönlichen Lebensgestaltung gewannen die Menschen neue Freiheiten. So war in der DDR zum Beispiel vielen gläubigen Christen das Studium verwehrt geblieben. 1990 konnten sie dann unerwartet doch ihr Studium beginnen.
Inzwischen ist eine gesamte Generation im vereinten Deutschland aufgewachsen. Sie konnte in Freiheit aufwachsen; ohne Stacheldraht. Sie kennen die Mauer und die DDR nur noch aus Geschichtsbüchern.

Gerade bei ihnen müssen wir aber die Erinnerung an das Unrechtsregime der SED wachhalten. Erinnern Sie sich noch, dass die DDR sich offiziell „Friedensstaat“ nannte? Dieser so genannte Friedensstaat war allerdings durch und durch militarisiert. Kampfgruppen auf der Arbeit, Wehrkunde in den Schulen, den Wehrdienst verweigern durfte man überhaupt nicht.
Was in Bautzen, Torgau, Hohenschönhausen und anderen Orten passiert ist, darf nicht vergessen werden.
Es ist unerträglich, dass es immer noch Menschen gibt, die das SED-Unrecht leugnen. Die DDR war ein Unrechtsstaat. Wer dies relativiert, verhöhnt die Opfer der SED-Diktatur!
Die CDU übernimmt Verantwortung dafür, dass dies auch in Zukunft nicht vergessen wird.
Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen seiner Aufgabe auch in Zukunft nachkommen kann, und unterstützen Forschungsvorhaben zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.
Meine Damen und Herren, Es ist heute der Tag der Deutschen Einheit. Das ist – auch wenn das nicht jedem so bewusst ist – ein besonderer Tag. Aber heute ist er besonders besonders:
Deutschland steht vor neuen Herausforderungen: die internationalen Krisen und Konflikte, der Terror, der seit Ende 2016 auch unser Land erreicht hat, die Digitalisierung, der demographischen Wandel sind nur einige Beispiele, die ich nennen möcht e.
Die Aufgaben sind groß,
unsere Gesellschaft befindet sich in einer spürbaren Veränderung: Das erfordert neue Antworten darauf, wie der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft auch in Zukunft gestärkt werden kann.
Aber: Ein Land alleine wird die Herausforderungen nicht meistern können. Nur gemeinsam mit unseren europäischen und internationalen Partnern werden wir zu guten Lösungen kommen.

Die Herausforderungen sind groß!
Das galt vor 70 Jahren beim Aufbau unseres Landes unter Konrad Adenauer. Das galt vor 27 Jahren bei der Überwindung der Trennung unseres Landes.
Und das gilt auch heute. Konrad Adenauer hat einmal gesagt:


„Vertrauen, meine Freunde, ist eine kostbare Gabe; aber sie fällt keinem in den Schoß; sie muss erworben werden, geduldig erworben werden!“
Es ist nötig, dass wir uns stets aufs Neue auf unsere Grundwerte besinnen: Menschenrechte, Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Bürgerrechte, Toleranz und Frieden.
Es ist wichtig, dass wir die Ängste und Nöte der Menschen ernst nehmen, dass wir ihnen zuhören, mit ihnen reden und gemeinsam nach Lösungen suchen.
Nur so werden wir, wird die Politik, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger weiterhin erhalten oder die Möglichkeit bekommen, es dort zurück zu erwerben, wo es verloren gegangen ist.
Manchmal muss man daran erinnern, was wir eigentlich alle ganz genau wissen: Zusammen sind wir stärker als jeder für sich allein, zusammen sind wir Deutschland.
Wir alle werden auch weiterhin für eine gute Zukunft unseres Landes arbeiten – mit Mut, Zuversicht und Gottvertrauen.